Wer entscheidet, wen ich heirate?

Du hast die Wahl – du kannst entscheiden, wen du heiratest!

Ophelia Beratungszentrum Langenhagen
(Nothilfeflyer von Terre de femmes)

Jeder Mensch hat das Recht, eine Ehe mit einem*einer selbstgewählten Partner*in einzugehen. Wenn dies nicht zutrifft, wird von einer Zwangsheirat gesprochen.

Was ist eine Zwangsheirat?

Es wird von einer Zwangsheirat gesprochen, wenn eine Eheschließung gegen den Willen von mindestens einer*eines Ehepartner*in eingegangen wird. Häufig geschieht dies unter Ausübung oder Androhung von physischer und psychischer Gewalt bzw. mit Verweis auf Bestrafung oder nachteilige Auswirkungen auf die Familie, falls die Ehe nicht geschlossen wird. Auch die Bedrohung der Betroffenen mit existentiellen, finanziellen oder ausländerrechtlichen Folgen kann zu einer Zwangsheirat führen. Zwangsheiraten kommen zustande, wenn eine*r oder auch beide sich vergeblich gewehrt (oder sich nicht getraut) haben, sich der Heirat zu widersetzen.

Auch Kinderehen werden als eine Form von Zwangsheirat angesehen, da sie unter nicht volljährigen Partner*innen geschlossen werden. Das Mindestalter einer Eheschließung in Deutschland liegt bei 18 Jahren.

Eine Zwangsheirat unterscheidet sich von einer sogenannten arrangierten Heirat. Bei einer arrangierten Ehe werden die Partner*innen zwar auch, wie bei einer Zwangsheirat, durch Dritte wie die Eltern oder nahe Verwandte ausgewählt. Allerdings wird die arrangierte Heirat im vollen Einverständnis der Eheleute geschlossen. Sie haben vorher die Möglichkeit, sich gegen den*die vorschlagene Partner*in auszusprechen und um Alternativen zu bitten. Zwischen erzwungener und arrangierter Ehe zu unterscheiden, ist dennoch nicht immer einfach, denn es besteht eine unklare Grenze dazwischen: Es ist nicht immer feststellbar, ob eine arrangierte Ehe nicht doch unter erheblichem Druck zustande kam.

Zwangsehen sind ein weltweites Phänomen, das trotz Verboten überwiegend Mädchen und Frauen betrifft. Oft dienen dabei religiöse Gründe als Rechtfertigung patriarchalischer Traditionen.

Welche Gründe gibt es für eine Zwangsheirat?

Die Motive einer Zwangsheirat können vielfältig sein. So kann es sein, dass die Familie der Betroffenen sicherstellen will, dass die Tochter einen Mann aus dem gleichen religiösen, kulturellen oder sozialen Umfeld heiratet, aus dem die Familie stammt. Manchmal spielt ein sogenannter „Brautpreis“ eine Rolle und es geht vor allem ums Finanzielle.

Sogenannte „Importbräute“, d. h. Mädchen und junge Frauen, die in ein fremdes Land geholt und verheiratet werden sollen, befinden sich in einer besonders schwachen Position, da sie oftmals über keine oder sehr geringe Sprachkenntnisse verfügen. Patriarchalische Familie versprechen sich von diesen Mädchen und Frauen, dass sie sich noch leichter in eine Ehe nach den eigenen Vorstellungen zwingen lassen.

Ein weiterer Grund für eine Zwangsverheiratung kann das Erlangen einer Aufenthaltsgenehmigung für den nachziehenden Ehemann bzw. die nachziehende Ehefrau sein.

Warum wehren sich viele betroffene Mädchen und Frauen nicht?

Es gelingt nur wenigen Mädchen und Frauen, sich gegen die Zwangsverheiratung zu wehren. Gründe können zum Beispiel sein:

  • Vermeidung von lebensbedrohlichen Konflikten – Angst
  • Fehlende Perspektiven – Gefühl der Hilf- und Ausweglosigkeit
  • Mangelndes Wissen über die eigenen Rechte – fehlende Aufklärung
  • Solidarität der Familie gegenüber – Pflichtgefühl, das angeblich Beste für die Familie tun zu müssen

Warum ist die Zwangsheirat eine Menschenrechtsverletzung?

„Das Recht auf freie Eheschließung und selbstbestimmte Partnerwahl“ wird in Artikel 16 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen anerkannt und gewährleistet. Eine Zwangsverheiratung ist als Form der Gewalt gegen Frauen und Menschenrechtsverletzung zu verstehen. Eine erzwungene Eheschließung zieht oft auch noch weitere Verletzungen des Rechts auf körperliche und seelische Unversehrtheit nach sich – zum Beispiel Druck durch innerfamiliäre Herrschaftsverhältnisse oder häusliche Gewalt.

Die freie Partner*innenwahl ist ein Menschenrecht

Eine Person zu einer Ehe zu zwingen, ist eine Straftat. Die demokratische Gesellschaft hat die Aufgabe, vor dieser schweren Verletzung der Menschenrechte zu schützen, denn eine Heirat gegen den eigenen Willen verstößt gegen geltende Gesetze und grundlegende Menschenrechte. Nach deutschem Recht ist die Zwangsverheiratung, wie in vielen anderen Ländern auch, rechtswidrig. Dies ist im Grundgesetz festgeschrieben. Wenn dagegen verstoßen wird, ist dies nach dem Strafgesetzbuch strafbar.

Du darfst allein entscheiden, wen, wann und ob du heiraten möchtest!

Eltern, Verwandte oder Freund*innen mögen das Beste für ein Mädchen wollen. Doch was tatsächlich das Beste für sie ist, kann nur sie allein entscheiden. Sie allein entscheidet, mit welchem*welcher Partner*in sie ihr Leben verbringen möchte.

Liebe wächst nicht unter Zwang und unter Druck oder gar mit Gewalt. Möglicherweise versuchen aber die Parteien, ihren Willen mit Druck Gewalt durchzusetzen. Manche verwenden den Vorwurf, „Schande“ über die Familie zu bringen, um psychischen Druck auszuüben.

Betroffene geraten nicht selten in folgenschwere Konflikte zwischen der Liebe zur Familie und den eigenen berechtigten Interessen und Bedürfnissen. Hier kann es ratsam sein, sich Hilfe und Unterstützung zu holen.

Weitere Infos zu Zwangsverheiratung

TERRE DES FEMMES, eine gemeinnützige Menschenrechtsorganisation für Frauen und Mädchen, setzt sich unter anderem gegen Zwangsverheiratung und andere Formen von Gewalt im Namen der Ehre ein.

Du kannst dich beraten lassen

Wir helfen dir gerne und professionell! Du bist in deiner Situation nicht allein. Viele Mädchen erfahren dasselbe und nehmen unsere Hilfe in Anspruch. Du kannst einen Termin mit uns ausmachen, allein oder vielleicht mit deiner besten Freundin, ohne dass jemand davon erfährt.

Du kannst uns anrufen und mit uns sprechen – anonym oder unter deinem Namen. Wir unterliegen der Schweigepflicht. Das bedeutet, dass wir nicht weitertragen, was du uns erzählst, es sei denn, du gibst und dazu die Erlaubnis.

Ophelia Beratungszentrum für Frauen und Mädchen mit Gewalterfahrung e. V.
Kastanienallee 10, 30851 Langenhagen

Telefon: (0511) 724 05 05
E-Mail: info@ophelia-beratungszentrum.de

Weitere Möglichkeiten der Unterstützung gibt es auf unserer Seite Zusätzliche Telefonnummern und Links.